Vielleicht hätten wir stutzig werden sollen… Denn es begann wie beim letzten Mal: Ein See. Mit dem Camper am Ufer übernachten. Frei stehen. Erneut wurde es ein unvergessliches Erlebnis. Erneut mit der marokkanischen Polizei.
Nachdem wir uns seit mehreren Wochen eher in kargen Canyons und der staubigen Wüste herumgetrieben haben, kommt uns der Sidi Ali Lake vor wie ein verwunschener Ort. Auf gut 2000 Meter Höhe empfängt uns dieser See mit einer Landschaft, die uns wahrlich den Atem raubt. Der gewohnte rote Stein ist einer grünen Landschaft gewichen und anstelle von Palmen sehen wir Nadelbäume. Wir fühlen uns plötzlich nach Irland versetzt und genießen die milderen Temperaturen um 20 Grad. Leider ist unsere angepeilte Herberge seit zwei Jahren geschlossen und so parken wir unseren Camper vor dem verrammelten Gebäude. Neben uns ein interessantes, junges, deutsches Paar mit ihrem zweijährigen Sohn. Vor uns der malerisch ruhende See. Um uns eine beruhigende Stille. Und erst diese frische Luft. Ein Traum!
Unsere Nachbarn fahren am nächsten Morgen weiter, während es uns zu Fuß hinauf in die umliegende Berglandschaft zieht. Begleitet von streunenden Hunden, dem nervösen Mähen einer Schafskolonie und den neugierigen Blicken einer Eselsfamilie bestaunen wir diese unwirklich anmutende Kulisse. Als wir am Mittag schließlich zu unserem verwaisten Parkplatz zurückkehren, ist es dort allerdings nicht mehr so einsam.
Ein marokkanischer Polizeibeamter steht an der Einfahrt, mit Gewehr über der Schulter. Neben ihm ein Mann im dunklen Anzug mit passender Sonnenbrille – Typ Bodyguard. Im Hintergrund erkennen wir ein paar Gestalten, die wie Ölscheichs aussehen. Sie tragen lange helle Kleider und breite Turbane auf den Köpfen. Gespannt treten wir näher und erwarten, gleich unsere Pässe zeigen zu müssen.
Doch es kommt anders. Wir werden freundlich begrüßt und dürfen passieren. Gerade wollen wir in den Camper steigen, da tritt der Anzugträger näher und reicht uns zwei Glasflaschen mit Wasser. Und eine Tüte mit Schokoriegeln sowie ein paar Celebrations – pour la petite. Wir danken ihm für dieses unerwartete Geschenk und treten ins Innere. Die marokkanische Gastfreundschaft ist uns in den vergangenen Wochen zwar vertraut geworden, aber dennoch können wir es immer noch kaum fassen, wie offenherzig sie mit uns reichen Touristen teilen.
Aber damit nicht genug. Wir sind gerade fertig mit unserer Mittagsbrotzeit, da klopft der Polizist an unser Fenster. In einer Hand balanciert er zwei Gläser mit marokkanischem Minztee und in der anderen ein halbes Fladenbrot, die er uns herzlich hineinreicht. „Wir hätten auch noch Olivenöl, wenn Sie mögen“, sagt er und zeigt hinüber zu seinem Kumpanen, der inzwischen mit zwei anderen Uniformierten um einen Plastiktisch sitzt.
Der Tee ist köstlich, auch wenn ich mir nicht erklären kann, wie sie ihn in dieser Abgeschiedenheit gekocht haben. Als wir wenig später die Gläser zurückbringen, ist überraschenderweise ein Festmahl auf dem Plastiktisch errichtet. Eine große Schüssel Safranreis steht dort und daneben ein riesiges Beet aus gedünsteten Hähnchen gefüllt mit Gemüse. Sofort springen zwei Beamte auf und machen uns Platz. Diese Einladung müssen wir selbstverständlich annehmen, es wäre sonst eine Beleidigung. Eigentlich bin ich satt, aber es schmeckt wirklich fantastisch. Wir erfahren, dass es sich bei den vermeintlichen Ölscheichs tatsächlich um eine hohe Delegation aus dem Irak handelt. Daher auch die Polizeipräsenz. Und daher auch dieses umwerfende Essen. Dank der unglaublichen marokkanischen Gastfreundschaft haben auch wir etwas davon. Das werde ich in Europa mit Sicherheit vermissen.
Da Elena langsam müde wird, verabschieden wir uns dankbar und gehen zurück zum Camper. Gerade will ich den Motor starten, da steht einer der marokkanischen Beamten neben meiner Tür. Er reicht mir noch zwei 1,5l-Flaschen Wasser und wünscht uns eine gute Fahrt – bonne route!
Dieses Erlebnis ist nur eines von vielen Beispielen für die Gastfreundschaft der Marokkaner. Während unserer Reise staunten wir oft über ihre Offenherzigkeit und ihre Bereitschaft zum Teilen. Wie auch in Asien zeigt sich: Wer wenig hat, hat viel zu geben.
Schade, dass solche Berichte es nicht in die großen Medien schaffen. Das Bild über diese Regionen und Menschen wäre etwas differenzierter und nicht von den Interessen von Politikern und Lobbyisten so stark manipuliert.
Danke fürs teilhaben lassen.
LG WoMolix