Ich reise oder ich arbeite. Oder geht auch beides? Ja! Seit bereits vier Monaten sind wir unterwegs und ich erprobe das ortsunabhängige Arbeiten. Wie es im „Homeoffice auf Reisen“ so läuft? Und welche neuen Herausforderungen stellen sich? Ich blicke zurück…
Nach unserer letzten Asienreise war für mich klar: Ich möchte das Reisen und das Arbeiten kombinieren können. In fremde Kulturen eintauchen und dabei auch irgendwie Geld verdienen. Der erste Gedanke war, das Reisen selbst zu meinem Job zu machen. Etwa durch das Schreiben tiefsinniger Reiseromane, die den Leser mitreißen und zum Weiterdenken anregen sollen. Gemeinsam mit meiner Frau gingen wir den anstrengenden Weg zum eigenen Buch und veröffentlichten im Herbst 2015 „Reismomente – Mit Rucksack und offenen Augen durch Asien“. Es macht unglaublich viel Freude, zu erfahren, wie viele Menschen wir damit bereits berühren und begeistern konnten. Der Grundstein zur Existenz als Reiseautor ist gelegt, doch bis es sich finanziell lohnt, ist es noch ein mühsamer Weg.
So entwickelte sich parallel ein zweiter Gedanke: Wie kann ich meine vorhandenen Kompetenzen als Softwareentwickler nutzen, ohne 9-to-5 im Büro sitzen zu müssen? Im Grunde bietet sich das Arbeiten von Zuhause, im Homeoffice, bei meiner Tätigkeit an und hat sich auch in der Praxis bewährt. Klar abgesteckte Arbeitsaufgaben lassen sich in der Ruhe der eigenen vier Wände wunderbar erledigen und das Ergebnis übers Internet hochladen, sodass die Kollegen darauf zugreifen können. Das müsste doch auch von woanders auf der Welt funktionieren, oder?
Scheinbar war die Zeit reif: Ein guter Freund bot mir eine Stelle in einem Projekt an, das sich nach anfänglicher Einarbeitung auch prima fürs Homeoffice eignete. Dank unseres langjährigen Vertrauens war es für ihn auch denkbar, dass ich meine Arbeit vom Ausland aus erledige. So kam es, dass meine Frau, meine Tochter und ich im Februar in den Camper zogen und nach Marokko aufbrachen.
Ein Traum erfüllt sich, dachte ich. Doch aller Anfang ist schwer. Die ersten Tage hatten wir Dauerregen und ich versuchte, im Camper zu arbeiten. Erkenntnis: Es herrscht keine optimale Arbeitsatmosphäre, wenn meine kleine Tochter schreit und wir auf 11qm gefangen sind. In die marokkanischen Cafés traute ich mich anfangs nicht so recht hinein: Zu ungemütlich wirkten sie mit ihren kahlen Räumen, den nackten Energiesparlampen und den weißen Plastikstühlen. Und wie würden wohl die ausschließlich männlichen Gäste auf mich reagieren, wenn ich dort mit Laptop und Handy meinen Arbeitsplatz aufschlage?
Ich probierte es notgedrungen aus und war überrascht: Es klappte wunderbar. Die Marokkaner begrüßten mich freundlich in ihrer Mitte und ich gewöhnte mich schnell an die karge Umgebung. Umso mehr genoss ich die marokkanischen Minztees und die frisch gepressten Orangensäfte, die mir für nicht mal einen Euro die Arbeit versüßten.
Sehr günstig sind in Marokko auch die mobilen Datentarife: Für gerade mal 10 Euro konnte ich eine 12 GB Datenflat bekommen, die mich selbst in kleineren Orten nicht im Stich ließ. Nur die Kommunikation mit den Kollegen klappte anfangs nicht, da Skype von den Netzbetreibern geblockt wird. Umgehen ließ sich diese Sperre aber mithilfe einer VPN-Software. Ansonsten störten nur die ab und an vorbeikommenden Musikanten, die sich am liebsten dann vor meinem Tisch aufbauten, wenn gerade eine Telefonkonferenz anstand. Mit einem Lächeln und ein paar Dirhams ließen sie sich aber immer rechtzeitig verscheuchen.
Nach drei Monaten ging es zurück nach Europa und ich merkte schnell: Spanien ist ein anderes Pflaster. Die Cafés präsentierten sich zwar wieder gemütlicher, doch ich fühlte mich nicht mehr so willkommen wie noch in Marokko. Die zeigte sich sehr deutlich, als mir eine Kellnerin vorrechnete, dass ich doch etwa alle 45 Minuten etwas bestellen sollte. Als geeignetere Orte stellten sich hier die Restaurants von Campingplätzen heraus. Ohne gefühlte Mindestbestellpflicht arbeitete es sich dann doch deutlich angenehmer.
Ansonsten habe ich gelernt, dass das Reisen in Kombination mit dem Arbeiten ein wenig mehr Planung erfordert als normal: An welchen Orten werde ich eine gute Internetverbindung haben? Gibt es nahe des Stellplatzes Cafés oder Restaurants, in denen ich mich zurückziehen kann? Außerdem war es wichtig, dass auch Anke und Elena sich am temporären Arbeitsort wohl fühlen. Fußläufig erreichbare Einkaufsmöglichkeiten und eine krabbelkompatible Umgebung waren entsprechend zu bedenken.
Alles in allem muss ich sagen, dass das Arbeiten auf Reisen bisher wunderbar funktioniert hat. Abgesehen von den vorbeiziehenden Musikanten in Marokko gab es kaum Ablenkungen und ich konnte konzentriert arbeiten. Auch die Abstimmung mit den Kollegen per Skype und Teamviewer funktionierte effektiv und zielführend. Für mich persönlich war jeder Weg zum Arbeitsplatz auch irgendwie aufregend: Ich wusste nie, wo ich sitzen werde, welchen Blick ich habe und wie der Kaffee schmeckt. Dies setzte eine Energie von Freiheit und Freude frei, die ich sonst nur vom ersten Arbeitstag in einem neuen Job kannte: Nichts ist vorbestimmt, alles ist möglich!
Auch zwischendurch überkamen mich spontane Momente des Glücks. Beispielsweise wenn ich den Blick über den Rand des Laptops schweifen ließ und im Hintergrund die schneebedeckten Gipfel des Sierra Nevada Gebirges glitzern sah. Oder wenn ich nach Feierabend auf den Ozean schaute und mich am nächsten Tag aufs Surfen freute. Dank der niedrigen Fixkosten im Camper reichte es bisher aus, nur an zwei Tagen die Woche zu arbeiten. Da blieb genügend Zeit zum Reisen und um meiner kleinen Tochter beim Wachsen zuzusehen. Eine Erfahrung, die ich auf keinen Fall missen möchte.
Wir drücken die Daumen, daß alles weiter so gut läuft. Es ist toll, wenn man nicht wie wir erst als Rentner viel Zeit mit dem Reisen verbringen kann.
Liebe Grüße Dagmar und Wolfgang, ab Mitte Juli mit dem WoMo auf Island.
10 € für eine 12 GB Datenflat? Das ist ja der blanke Wahnsinn – etwas Vergleichbares habe ich bis jetzt selten irgendwo gesehen. Wie ist die Verbindungsgeschwindigkeit?
Hallo Augustin,
ja, Wahnsinn, ne? Die Geschwindigkeit war auch super, insbesondere in besiedelten Gegenden. Konnten sogar nen Film streamen… In Marokko kann ich auf jeden Fall Maroc Telecom empfehlen. In Portugal gab es sogar 20GB für 20€ bei Vodafone. Irgendwie sollten die deutschen Anbieter mal nachziehen.
Liebe Grüße,
Robs
Ich würde auch so gerne aus Togo arbeiten. Bin mir aber unsicher ob ich von dort aus auch auf das VPN zugreifen kann und Zugriff auf Tools wie sap oder Outlook zugreifen kann… :/
Hallo. Ich hätte eine Frage zu drüber Tätigkeit in Marokko, die ich gern per E-Mail stellen würde? Ist das möglich? LG