• Rückkehr in die deutsche Gesellschaft

    ameisen cornflakesVor genau sechs Monaten saßen wir auf Sri Lanka in einem kleinen Café und überlegten, wie unser Leben Zuhause in Deutschland weitergehen würde. Wir waren fast neun Monate unterwegs, fern ab der üblichen Erwartungen und Gewohnheiten, und konnten in dieser Zeit für uns herausfinden, was uns wirklich wichtig ist. Ob wir dies in unser zukünftiges deutsches Leben würden integrieren können?

    Bei unserer Rückkehr freuten sich alle über das persönliche Wiedersehen. Es war wundervoll, unsere Lieben zu umarmen und in Ruhe reden zu können, Geschichten zu hören und selbst kleine Anekdoten einzustreuen.

    Die gemäß eines Heimkehr-Blogposts zu erwartende Frustration konnten wir glücklicherweise umgehen. Wir fielen nicht in ein Loch, da wir uns konkrete Ziele für die Zeit danach gesetzt hatten: Wir wollten das Erlernte anwenden, Dinge verändern, Probleme lösen und offen mit unseren Mitmenschen umgehen. Mit unserem Reisebuch wollten wir den Grundstein legen für neue Aufgaben in einem weiten und uns unbekannten Betätigungsfeld.

    Doch würden sich unsere neuen Ziele mit der deutschen Gesellschaft vereinbaren lassen? Oder würde uns die Umgebung zurück in den Alltag zwingen, den wir noch von vor der Reise her kannten?

    Nach fast sechs Monaten stellen wir fest, dass die Integration teilweise funktioniert. Auf der einen Seite genießen wir das gesellschaftliche Leben in Deutschland: Soziale Ereignisse, wie Weihnachten in der Familie zu feiern, erfüllen uns sehr. Auch schätzen wir die Verlässlichkeit und Sicherheit, die Deutschland bietet. Sei es bei Arztbesuchen, im geregelten Straßenverkehr, bei Einkäufen in prallgefüllten Supermärkten oder bei der Nutzung von kostenfreien Angeboten wie der örtlichen Bücherei.

    Auf der anderen Seite wehren wir uns weiterhin gegen gewisse Zwänge. Zum einen wollen wir keine Geschenke mehr bekommen und auch keine verteilen. Generell versuchen wir, bewusster zu konsumieren. Zum anderen vermeiden wir unnötigen Stress und minimieren die massive Informationsflut, die ständig per WhatsApp, Online- und TV-Medien einrollt. Auch beteiligen wir uns nicht mehr an Lästereien, sondern fordern eine direkte Kommunikation. Vom typisch deutschen Jammern haben wir uns gänzlich verabschiedet.

    Denn es geht uns Deutschen wirklich gut! Wir beide wollen die glückliche Lage, in die wir geboren wurden, auch wertschätzen und das Beste aus jedem Tag herausholen.

    Interessanterweise ernten wir dafür teilweise Reaktionen wie „Euch geht es zu gut“. Auch der Vorwurf, dass wir auf Kosten von Anderen leben, wurde uns gegenüber geäußert.

    Wir sind dankbar für diese Offenheit. Nach einigem Nachdenken sind wir aber zu dem Schluss gekommen, dass wir die Vorwürfe nicht annehmen wollen. Wir nutzen bewusst die Möglichkeiten, die sich uns bieten (z.B. Selbstständigkeit mithilfe des Gründungszuschusses) und die Ressourcen, die andere gerne teilen (wie Carsharing oder Housesitting).

    Für uns fühlt es sich sehr gut an, den eigenen Weg zu finden und ihn mit vollem Einsatz zu gehen.

    Doch warum ist es eher üblich, sich selbst zu beschränken und seine eigenen Chancen ungenutzt zu lassen? Ist es die Angst vor Veränderungen oder einem möglichen Sicherheitsverlust?

    Was denkst Du dazu?

6 Kommentare:

  1. Melina sagt:

    Was ihr beschreibt sind doch grundlegend verschiedene Bereiche.
    Einmal eure Veränderungen im Persönlichen Bereich, die sicher kaum jemand nach gründlichem Nachdenken kritisieren würde: keine Lästereien, bewusster Konsum, Ausleihen von Gegenständen anstatt zu kaufen, stressfreier leben… auch das Beste aus einem Tag rauszuholen möchte sicher niemand als negativ beurteilen. Materielle Geschenke sind für die einen ein Zeichen der Liebe und Freundschaft, die jedoch natürlich auch anders ausgedrückt werden können.

    Davon können wir uns alle eine Scheibe abschneiden.

    (Niemand kann euch zu einem Messenger zwingen, das ist eher irrelevant. )

    Zum zweiten eure Lebensweise. Ich denke nicht, dass viele mit dem wenigen Komfort auskommen möchten. Ich möchte es zumindest nicht. Ich freue mich auf meine schöne, gemütliche, moderne Wohnung, in der all die Dinge ihren Platz haben und ich nicht aus dem Koffer/Rucksack leben muss; in der jeder zur Not ein eigenes Zimmer hat, in das er sich zurück ziehen kann. Eine Wohnung, in der ich, natürlich irgendwie gebunden, frei bin. Ich mag die Sicherheit und Geborgenheit, die meine Wohnung mir gibt. Ich mag meine Mobilität und Flexibilität durch mein Auto. Ich mag es, zu wissen, dass ich so oft in den Urlaub fahren kann wie und wohin ich möchte (finanziell gesehen zumindest); dass ich in ein Restaurant essen gehen könnte; dass ich ins Theater gehen könnte oder in eine Comedy Show; dass ich mir das leisten kann, dass ich dafür etwas geleistet habe.
    Ich möchte gerne, dass meine in der Zukunft geplanten Kinder auf ihre Klassenfahrt fahren können, ihr Studium an jeder ihnen beliebenden Universität abschließen können. Ich möchte gerne, dass sie ein Zuhause haben, in dem sie groß werden können oder eine Auslandsreise unternehmen können. Ich möchte, dass sie den Sport oder das Instrument ausüben können, dass sie sich wünschen.
    All das jedoch kostet Geld. Und für dieses Geld gehe ich gerne arbeiten. So stressfrei wie möglich, klar. Das schränkt mich zeitlich ein, dafür genieße ich die Freizeit umso mehr. Ich liebe die Sicherheit, dass eine ausreichende Menge an Geld am Ende des Monats auf mein Konto wandert. Ohne schlechtes Gewissen, sondern mehr im Sinne von: Das habe ich mir verdient. Ohne diese Sicherheit würde ich mich nicht wohlfühlen. Das hat nichts mit Selbstbeschränkung zu tun, das sind keine ungenutzten Chancen (außer vielleicht ein Jobwechsel). Mein Job gibt mir Struktur, Ordnung und Sicherheit, Halt, soziale Kontakte mit richtig tollen Kollegen, Anerkennung. Der Lohn dafür gibt mir die nötige Freiheit. Und ja, in der Selbstständigkeit hätte ich wahrscheinlich Angst, diese Sicherheit und Freiheit zu verlieren.

    • Robs sagt:

      Liebe Melina,

      vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar! Ich freue mich, dass Du für Dich einen Weg gefunden hast, wie Du Dein Leben leben möchtest. Bitte versteh mich nicht falsch: Es ist nicht mein Ziel, jedem unser Lebensmodell mit Selbstständigkeit überzustülpen. Ganz im Gegenteil: Ich finde es anstrebenswert, dass jeder für sich überlegt, wo sein eigenes Leben hingehen soll. Welche Träume möchte ich leben? Welche Ziele möchte ich erreichen? Welche Werte sind mir wichtig? Für Anke und mich ist die Selbstständigkeit und unsere gesamte Lebensweise ein Weg, um unsere persönlichen Ziele zu erreichen bzw. unsere Träume zu leben. Dieser Weg lässt sich aber auf keinen Fall auf andere übertragen.

      Ich bin allerdings der Meinung, dass manche Menschen einem Weg folgen, den sie sich nicht bewusst ausgesucht haben. Sei es durch das Elternhaus, gesellschaftliche Erwartungen oder die fehlende Zeit, um sich Gedanken zu machen… Meine Hoffnung ist einfach, dass mehr Menschen sich ihrer persönlichen Ziele bewusst werden und den dazu passenden Weg finden. Wer ihn schon gefunden hat, umso besser!

      Liebe Grüße,
      Robs

  2. Stefan sagt:

    Hi ihr Burner,

    also ich komm direkt zur Sache mit der zweiten Hälfe eures Beitrags: Ihr sagt ihr wollt nichts verschenken und nichts annehmen, aber meint ihr nicht ihr bekommt gerade von den Eltern viel Geschenkt was das Finanzielle angeht. Ich musste ein bisschen schmunzeln, wenn ich Carsharing und Housesitting lese – in wie weit beteiligt ihr euch den am Auto, am Telefon, Heizung, Reparaturen? Und der Gründungszuschuss vom Staat ist ja auch zweifelhaft. Gerade in so einer Gesellschaft, wo Kindergärtner gesucht werden gliedert ihr euch aus, nehmt aber auf der anderen Seite dann doch die Vorzüge dieser Gesellschaft an und schätzt sie ja auch. Ärzte werden auch gesucht und die schätzt ihr auch. In Summe ist es aber einfach ein meiner Meinung nach Ungleichgewicht, was ihr gebt und nehmt. Und hier geht es um mehr als Weihnachtsgeschenke!

    Was sind denn eure Ziele im Leben?

    Burnerbrother

    • Anke sagt:

      Hallo Stefan,

      großartig, dass du einfach schreibst, was du denkst!

      Die finanzielle Regelung mit den Eltern beruht auf vielen Gesprächen und einem daraus resultierenden Einverständnis beider Seiten. Details über das Finanzielle sind eine private Sache zwischen ihnen und uns.

      Ein großer Punkt, den du ansprichst ist die Gerechtigkeit oder das Ungleichgewicht, wie du es nennst. Der Staat bietet allen Bürgern finanzielle Unterstützung an, die hoffentlich einem gut durchdachten System unterliegen. Eine Kann-Leistung davon ist der Gründungszuschuss zur Unterstützung neuer Geschäftsideen. Diesen haben wir beantragt und er wurde uns gewährt.

      Schwierig finde ich deine Argumentation, nach der ein Ungleichgewicht zwischen unserem Geben und Nehmen besteht. Ich frage mich bei diesem Punkt, welche Faktoren du dabei gegeneinander abwiegst? Meiner Meinung nach ist dies unmöglich.

      Unsere Bedürfnisse unterscheiden sich von denen der meisten Bürger. Wir streben beispielsweise nicht an ein Haus zu kaufen, also benötigen wir auch nicht die finanziellen Mittel dafür. Unsere Ziele sind: Selbstbestimmtheit, Flexibilität, Abwechslung und ein bewusstes Leben. Diese verwirklichen wir gerade und glauben nicht, jemand anderem damit zu schaden. Oder wie siehst du das?

      Wenn du das Wort Ungleichgewicht in den Raum wirfst und dabei Ärzte und Erzieher ansprichst, dann schaue dir auch die finanziellen Unterschiede an. Ja, natürlich werden Erzieher gebraucht, aber ist es dann nicht Aufgabe des Staates diesen Job attraktiver zu gestalten, durch beispielsweise ein angemesseneres Gehalt?

  3. Stefan sagt:

    Hi,

    Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Geben und Nehmen:
    Ich meine damit im Großen die finanzielle Seite. Ihr nehmt euch alle erdenklichen Hilfen vom Staat, ohne sich aber mit dieser Gesellschaft zu identifizieren?! Arbeitslosengeld, Gründungszuschuss, bald Kindergeld, aber was gebt ihr dafür? Das ganze im inneren Kreis mit dem Auto, Wohnung, usw.

    Ihr schadet niemanden mit eurer Lebenseinstellung (ist ja ganz gut – ihr habt oft Zeit, seid daheim, man sieht euch öfter usw.) aber in so einer Gesellschaft ist dieses Ausmaß schwer tragbar; nicht ohne Hilfe und mit Hilfe meine ich, dass ihr mehr annehmt, (wieder finanziell) als geben könnt. Natürlich gibt es Länder, da hat das einen anderen Stellenwert, aber da wird es keinen Gründungszuschuss geben, kein Arbeitslosengeld, kein Carsharing usw.

    Und zu deinem Job; den hast du dir doch ausgesucht und wusstest doch, was da bei rausspringt. Und es passt doch gar nicht in eure Aussage, dass er dir finanziell nicht passt.

    So, das war´s wieder von mir 😉

  4. Anke sagt:

    Hallo Stefan,
    wir leben in einem Sozialstaat, in den wir viele Jahre lang mit einbezahlt haben. Jetzt nehmen wir vorübergehend die Hilfen an, die er uns bietet – bis wir selbst auf eigenen Beinen stehen. Diese Möglichkeiten stehen jedem anderen Bürger ebenfalls offen.
    Zudem sollte doch der Beitrag den ein Mensch für eine Gesellschaft leistet im Ganzen betrachtet werden, oder?

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